2.4.14.1
Aktuelle ICD-10-Diagnose
Hier ist gegebenenfalls eine ICD-Diagnose für eine vorliegende Essstörung zu vergeben. Die Kodierung der ersten vier Stellen der Diagnose ist an dieser Stelle ausreichend. Die Diagnosestellung richtet sich nach den Leitlinien der ICD-10.
F50.0 Anorexia nervosa
F50.1 Atypische Anorexia nervosa
F50.2 Bulimia nervosa
F50.3 atypische Bulimia nervosa
F50.4 Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen
F50.5 Erbrechen bei sonstigen psychischen Störungen
F50.8 sonstige Essstörungen oder nicht näher bezeichnete Essstörung (F50.9); die Trennung dieser beiden Diagnosen ist im KDS aus technischen Gründen nicht vollzogen, auch wenn dies nicht der Logik der ICD-10 entspricht.
Die wichtigsten dieser Essstörungen sind F50.0 Anorexia nervosa und F50.2 Bulimia nervosa. Diagnostische Hinweise siehe unten.
2.4.14.2
Falls aktuell keine Diagnose, ggf. frühere Diagnose
Wenn keine aktuelle Diagnose einer Essstörung nach ICD-10 vorliegt, die Kriterien für eine Diagnose aber zu einem früheren Zeitpunkt nach Kenntnis der/s Klientin/en / Patientin/en und / oder der Fachkraft erfüllt waren, soll hier der entsprechende ICD-10 Code angegeben werden.
2.4.14.3
Alter bei Störungsbeginn
Hier ist das Lebensalter bei Beginn der (ggf. am frühesten aufgetretenen) Essstörung anzugeben.
Hinweise zur Vergabe der ICD-10 Diagnosen F50.0 Anorexia nervosa und F50.2 Bulimia nervosa:
F50.0 Anorexia nervosa
Die Anorexia nervosa ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert. Am häufigsten ist die Störung bei heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen; heranwachsende Jungen und junge Männer sind wie Kinder vor der Pubertät und ältere Frauen vor der Menopause wesentlich seltener betroffen. Die Anorexia nervosa stellt ein eigenständiges Syndrom dar (...).
Diagnostische Leitlinien
1. Tatsächliches Körpergewicht mindestens 15% unter dem erwarteten (entweder durch Gewichtsverlust oder nie erreichtes Gewicht) oder Quetelets-Index von 17,5 oder weniger. Bei Patientinnen in der Vorpubertät kann die erwartete Gewichtszunahme während der Wachstumsperiode ausbleiben.
2. Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung von hochkalorischen Speisen und eine oder mehrere der folgenden Möglichkeiten:
a. selbst induziertes Erbrechen
b. selbst induziertes Abführen
c. übertriebene körperliche Aktivitäten
d. Gebrauch von Appetitzüglern oder Diuretika
3. Körperschema-Störung in Form einer spezifischen psychischen Störung: die Angst zu dick zu werden, besteht als eine tief verwurzelte überwertige Idee; die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest.
4. Eine endokrine Störung auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse. Sie manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhoe und bei Männern als Libido-Potenzverlust. (Eine Ausnahme ist das Persistieren vaginaler Blutungen bei anorektischen Frauen mit einer Hormonsubstitutionsbehandlung zur Kontrazeption). Erhöhte Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Änderungen des peripheren Metabolismus von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion können gleichfalls vorliegen.
5. Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (Wachstumsstop, fehlende Brustentwicklung und primäre Amenorrhoe beim Mädchen; bei Knaben bleiben die Genitalien kindlich). Nach Remission wird die Pubertätsentwicklung häufig normal abgeschlossen, die Menarche tritt aber verspätet ein.
Quetelets-Index (Bodymass-Index) = Körpergröße in m².
F 50.2 Bulimia nervosa
Die Bulimia nervosa (Bulimie) ist durch wiederholte Anfälle von Heißhunger (Essattacken) und einer übertriebenen Beschäftigung mit der Kontrolle des Körpergewichts charakterisiert. Dies veranlasst den/die Patienten/in, mit extremen Maßnahmen den dickmachenden Effekt der zugeführten Nahrung zu mildern. Der Terminus bezieht sich auf die Form der Störung, die psychopathologisch mit der Anorexia nervosa vergleichbar ist. Die Alters- und Geschlechtsverteilung ähnelt der Anorexia nervosa, das Alter bei Beginn liegt geringfügig höher. Die Störung kann nach einer Anorexia auftreten und umgekehrt. Ein/e vormals anorektische/er Patient/in erscheint nach einer Gewichtszunahme oder durch Wiederauftreten der Menstruation zunächst gebessert, dann aber stellt sich ein gefährliches Verhaltensmuster von Heißhunger (Essattacken) und Erbrechen ein. Wiederholtes Erbrechen kann zu Elektrolytstörungen und körperlichen Komplikationen führen (Tetanie, epileptische Anfälle, kardiale Arrhythmien, Muskelschwäche) sowie weiterem starken Gewichtsverlust.
Diagnostische Leitlinien
1. Eine andauernde Beschäftigung mit Essen, eine unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln; der/die Patient/in erliegt Essattacken, bei denen große Mengen Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden.
2. Der/die Patient/in versucht, dem dickmachenden Effekt der Nahrung durch verschiedene Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. Wenn die Bulimie bei Diabetikerinnen auftritt, kann es zu einer Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen.
3. Eine der wesentlichen psychopathologischen Auffälligkeiten besteht in der krankhaften Furcht davor, dick zu werden; der/die Patient/in setzt sich eine scharf definierte Gewichtsgrenze, deutlich unter dem prämorbiden, vom Arzt /der Ärztin als optimal oder „gesund" betrachteten Gewicht. Häufig lässt sich in der Vorgeschichte mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren eine Episode einer Anorexia nervosa nachweisen. Diese frühere Episode kann voll ausgeprägt gewesen sein oder war eine verdeckte Form mit mäßigem Gewichtsverlust oder einer vorübergehenden Amenorrhoe.
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